Warum sind gute Vorträge so schwierig?

Herrmann: Gute Vorträge sind schwer. Kein Wunder, dass die meisten Menschen ziemlich schlechte Vorträge halten – ich anfangs ja auch. Man kann deutlich besser werden, aber nur mit Übung und indem man bei der Vorbereitung bewusste Entscheidungen trifft.

Für Vorträge gibt es kaum gute Lehrbücher; was ich weitergebe, sind gesammelte Erfahrungen aus der Praxis. Manche meiner Tipps sind pedantisch, funktionieren aber – zumindest für mich – sehr gut. Anderes widerspricht dem, was man an anderen Stellen liest – und das ist auch gut so. Es gibt mehr als einen richtigen Weg.

Wo fängt ein guter Vortrag eigentlich an?

Herrmann: Auf jeden Fall nicht bei den Folien. Der häufigste Fehler ist meiner Meinung nach, PowerPoint zu öffnen und zu schauen, was passiert.

Stattdessen: Zuerst sollte man eine Kernbotschaft definieren und die drei Hauptpunkte, die hängen bleiben sollen. Das definiert schließlich 90% der restlichen Arbeit. Wenn man das nicht klar hat, wird auch das Publikum es nicht haben.

Erzählt mehr Geschichten. Menschen lieben Geschichten, auch in wissenschaftlichen Vorträgen. Eine erfundene Geschichte, die neugierig macht, ist besser als eine langweilige wahre oder gar keine. Die Kinderuni erdet einen da: Wenn einem 9-Jährige nicht zuhören, liegt es nicht an den 9-Jährigen.

Die 30/30/30-Regel: 30% des Vortrags sollen alle verstehen (also etwa die eigenen Eltern), 30% sollen nur Fachkollegen verstehen, 30% nur absolute Experten. Klingt erst einmal gut, ist aber nicht immer richtig. Es gibt Vorträge, wo 5/5/90 okay ist.

Aus der Praxis: Ich strukturiere Vorträge vom Ende her: Was soll am Ende im Kopf bleiben? Dann arbeite ich rückwärts zu “Wie komme ich dahin?”

Tatsächlich ist das schwerer als gedacht. Man hat beim Recherchieren vielleicht interessante Inhalte gefunden, die man selbst sehr inspirierend findet. Dann fällt es mir oft sehr schwer, sie nicht in den Vortrag zu integrieren – oder, noch schlimmer, wieder zu entfernen, wenn es ans Streichen geht, um die Zeitvorgabe einzuhalten. Aber es hilft alles nichts: “Kill your darlings!”

Es gilt also weniger ist mehr?

Herrmann: Ja! Keine Design-Experimente. Fancy Templates nutzen sich ab, lenken ab und nerven. PowerPoint-Vorlagen mit Schatten und Farbverläufen sind aus den 90ern – da können sie bleiben.

Schriftarten: Bitte kein Comic Sans. Aptos, Calibri, Helvetica, Roboto, Lato, Myriad Pro funktionieren gut – groß, dick, gut lesbar. Ein Font reicht. Jede Abweichung von einem einheitlichen Font kommuniziert subtil eine Hervorhebung oder einen Unterschied – meistens ist das aber gar nicht intendiert. Das verwirrt dann nur unnötig.

Farbe bewusst einsetzen. Nicht weil mehrere Farben hübsch sind, sondern weil sie etwas bedeuten. Aber hier lauern viele Probleme: Rot und grün funktionieren nicht gut für farbenblinde Menschen; außerdem sind das Signalfarben, die eine Nachricht tragen. Und: Projektoren sind kontrastärmer als Laptop-Displays, oft sind die Farben für das Publikum viel schlechter erkennbar als man denkt.

Animationen sind eine Falle. Alles außer einfachen Folienübergängen lässt einen wie einen Kindergärtner aussehen. Was aber oft eine gute ist: Textblöcke auf einer umfangreichen Folie nach und nach einblenden, ohne große Bewegung, einfach erscheinen lassen.

Titelfolien: Name, Titel, ein zum Thema oder zur Einleitung passendes, klug ausgewähltes Bild. Fertig. Keine Uni-Logos, keine Template Elemente.

Schlussfolie: Keine Dankesfolie mit Smiley, lieber eine Zusammenfassung und ein paar provokative Statements für die Diskussion.

Aus der Praxis: Ich bin bei Ästhetik und Design obsessiv geworden. Ich habe zu viel schlechtes Design gesehen. Obsession zahlt sich aus.

Aber wie halte ich die Leute bei der Stange?

Herrmann: Wichtig ist auf jeden Fall: Nicht von den Folien ablesen. Das Publikum ist dann beschäftigt mit Mitlesen statt Zuhören. Das ist anstrengend für alle.

Die Inhalte beherrschen. Das ist der wichtigste Rat überhaupt. Wenn man sein Material kennt, wird alles andere einfacher. Übung ist langweilig und anstrengend, aber sie löst 90% der Probleme während des Vortrags.

Körpersprache ist wichtig. Wohin mit den Händen? Nicht in die Taschen, nicht am Gesicht rumfummeln, nicht starr dastehen. Notfalls hilft ein Laser-Pointer als Requisite. Augenkontakt halten, bei Videos alle paar Sekunden in die Kamera schauen.

Pausen sind okay. Peinliche Stille überbrückt man, indem man leise bis drei zählt. Fühlt sich ewig an, ist aber in Wirklichkeit nur eine Sekunde.

Sich nicht entschuldigen für Tippfehler oder kleine Pannen. Das Publikum will, dass man erfolgreich ist.

Aus der Praxis: Meine ersten Vorträge waren schrecklich – steif, nervös, zu schnell. Das wird besser, aber nur durch Übung. Wenn ich nervös bin, lerne ich immer die ersten drei Sätze auswendig, das hilft.

Video-Vorträge: Was ist da anders?

Herrmann: Man kann mit fast jeder Kamera ein gutes Bild hinbekommen. Entscheidend ist eine helle und gleichmäßige Ausleuchtung des Gesichts und des Hintergrunds. Tageslicht allein reicht nicht – zu unberechenbar. Zusätzliches Licht auf das Gesicht (LED-Panel, Schreibtischlampe) macht den Unterschied zwischen “sieht professionell aus” und “sieht aus wie im Keller gedreht”.

Kamera auf Augenhöhe. Nicht darunter – dann redet man von oben herab. Nicht vor einem Fenster filmen, außer man hat sehr starkes Zusatzlicht.

Stehen ist besser als sitzen. Man hat mehr Luft, eine kräftigere Stimme, kann gestikulieren. Macht einen riesigen Unterschied.

Audio: Laptop-Mikros gehen, Headsets sind kompakt aber klingen “wie im Radio”, Studiomikros sind natürlich am besten. Ansteck- oder Richtmikrofone sind oft besser als Großmembranmikrofone; die klingen super, wenn man ganz nah ans Mikrofon rangeht, etwa bei Podcasts oder Radiointerviews.

Der “Arme-Leute-Greenscreen” Trick: Bei weißen oder grauen Folien-Hintergründen kann man in OBS einen Color-Key-Filter verwenden. Dann erscheint man “hinter” den Folien, das Gesicht ist groß genug zu sehen und man hat Platz für Gesten. Funktioniert wirklich gut.

Aus der Praxis: Ich filme 16:9-Vorträge mit geeignet vorbereiteten Folien, die horizontal nur zur Hälfte gefüllt sind, mein Video platziere ich prominent daneben. Die Standard-“Briefmarken”-Lösung für das Videobild funktioniert nicht gut – viel zu klein und im Zweifel verdeckt sie einen Teil der Folie.

Was ist sonst noch wichtig?

Herrmann: Die Vorbereitung dauert länger als gedacht. Für einen 20–30 Minuten Vortrag plane ich etwa einen Tag Aufwand ein, wenn ich noch kein Material dazu griffbereit habe. Meistens fange ich zu spät an. Bei wichtigen Vorträgen aber auch schon einmal zwei Wochen vorher. Ja, wirklich.

Aussprache üben. “Cache”, “Gauge”, “Queue” – diese Wörter stolpern einem auf English immer über die Zunge, wenn man sie nur gelesen hat. “Thread” vs. “Threat” verwechseln auch viele.

Eigener Stil entwickelt sich. Man kann gute Praktiken kopieren, aber der eigene Stil kommt mit der Zeit. Meiner hat sich über Jahre entwickelt – von “schrecklich” zu “sehr aufwändig und unkonventionell” zu “funktioniert zuverlässig mit vertretbarem Aufwand”.

Feedback ist wertvoll. Auch nach Jahren lerne ich noch dazu. Kritik an meinen Vorträgen und Links zu guten Vorträgen ist jederzeit willkommen!

Abschließende Gedanken

Wo können Interessierte mehr über diese Techniken lernen?

Herrmann: Hinweise für gute Vorträge sind immer auch ein Thema in unseren Seminaren – dort noch viel ausführlicher, mit Illustrationen und als Teil einer Videoserie. In den Seminaren schauen wir gemeinsam alte und aktuelle Präsentationen von mir an und sezieren sie: Was funktioniert, was nicht, wie hat sich mein Stil über die Jahre entwickelt?

Studierende können sich beim Üben ihrer Vorträge filmen lassen, um ihre Sprechtechnik zu sehen und zu verbessern. Das ist oft ein Aha-Moment – man merkt erst beim Zusehen, wo die eigenen Schwächen liegen."

Was ist denn der allerwichtigste Ratschlag?

Herrmann: Patrick Winston hatte recht: ‘Your success in life will be determined largely by your ability to speak, your ability to write and the quality of your ideas. In that order.’

Vortragen ist ein Handwerk. Man kann es lernen, aber es braucht Übung. Die investierte Zeit lohnt sich – nicht nur für die nächste Präsentation, sondern für alles, was danach kommt.

Kontakt

Prof. Dr. Dominik Herrmann
Lst Privatsphäre und Sicherheit in Informationssystemen
Universität Bamberg, 96045 Bamberg
Lst Privatsphäre und Sicherheit in Informationssystemen
Universität Bamberg
96045 Bamberg

dh.psi@uni-bamberg.de | +49 951 863-2661
uni-mal-anders.de | LinkedIn

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